Rückblick auf die zweite Summer School des NFP 66
Nachwuchsforschende aus allen Sparten der Wald- und Holzforschung versammelten sich Anfang September 2014 in Zäziwil im Emmental, um im Hinblick auf eine zukünftige intelligente Holznutzung die Stärken und Chancen der Schweiz auszuloten und aktuelle Herausforderungen zu diskutieren.
Mit über 70 Doktoranden und Postdoc-Mitarbeitenden aus 25 Ländern vereint das NFP 66 eine grosse Anzahl junger Forschender, die sich in der Schweiz mit Holz beschäftigen. Die Ressource interessiert den akademischen Nachwuchs nicht nur, weil sie als traditioneller Baustoff die Entstehung solch prächtiger Bauernhäuser wie jene im Emmental in den letzten Jahrhunderten ermöglicht hat. Der Reiz des Rohstoffs Holz besteht heute vielmehr in der Vielfalt der Verwendungsmöglichkeiten. Die Fragen, welches Potenzial Holz für die Herstellung von chemischen Substanzen, Designmöbeln, Accessoires, Fahrradfelgen oder modernen mehrstöckigen Bauten birgt und wie man bei entsprechenden Produkt- und Verfahrensinnovationen ökonomische und ökologische Überlegungen unter einen Hut bringen kann, standen im Zentrum der Veranstaltung.
Das eine tun – das andere nicht lassen
Die Ansprüche an die wissenschaftliche Forschung sind hoch. Um Holz als Werkstoff zum Durchbruch zu verhelfen, braucht es nicht nur Kreativität und technologische Exzellenz, sondern auch betriebswirtschaftliches Denken. Darüber hinaus sind neue Lösungen gefragt, um das Holz so lange wie möglich im stofflichen Kreislauf zu behalten und entlang seines gesamten Lebenszyklus Wertschöpfung zu generieren, bei gleichzeitiger Minimierung der Umweltauswirkungen. Zur Unterstützung solcher ökologischen Überlegungen gibt es bereits auch webbasierte Instrumente auf dem Markt, beispielsweise die KBOB-Empfehlung "Ökobilanzdaten im Baubereich" 2009/1:2014 mit einer Excel-Liste der Baumaterialien und einem elektronischen Bauteilkatalog. Diese machten es für Bauherren, Projektmanager und Planer möglich, verschiedene Konstruktionsvarianten per Mausklick miteinander zu vergleichen, erläuterte Rolf Frischknecht, Geschäftsführer der für die Datenbankpflege zuständigen Partnerplattform.
Wohnen und teilen
Wie man innovative Bautechnologien mit dem Prinzip des "klugen Teilens" (smart sharing) insbesondere im dichten urbanen Raum verbinden kann, zeigte Hanspeter Bürgi, Geschäftsleitender Partner der Bürgi Schärer AG und Dozent für Architektur an der Hochschule Luzern. Er und seine Studierenden erreichten Platz 5 am Solar Decathlon Europe 2014 in Versailles mit dem Prototyp eines Solarhauses (mehrheitlich im Holzbau), das durch intelligente Nutzung und Teilung der Räume eine deutliche Verringerung des Energie- und Flächenbedarfs ermöglicht.
Neue Materialien aus Nanozellulose?
Alain Dufresne, Mitglied der Leitungsgruppe des NFP 66 und Professor an der Ingenieurhochschule Grenoble INP-Pagora, startete seine Präsentation mit einem eindrücklichen Kurzfilm, um die vielen, zum Teil bislang ungeahnten Möglichkeiten zu illustrieren, welche die Nanozellulose für die Erzeugung neuartiger Werkstoffe und Produkte darstellt. Dufresne präsentierte dann die neusten Produktionsverfahren, gab eine Übersicht der verschiedenen Zellulose-Nanomaterialien und ihrer Hersteller und plädierte für eine Standardisierung der Fachbegriffe. Die anschliessende Diskussion machte klar, dass die Industrie den Mythos der Nanozellulose nur dann in eine Erfolgsgeschichte verwandeln könne, wenn sie die Bedenken der Öffentlichkeit über potenzielle Gesundheitsrisiken ernst nehme. Für eine Erhöhung des Marktanteils moderner holzbasierter Werkstoffe müssten Forschung und Industrie zudem weiterhin bestrebt sein, die Eigenschaften von Holz zu verbessern und Verfahren zur kostengünstigen Massenproduktion von High-Tech-Materialien zu entwickeln.
Die Schweizer Gasindustrie und der erneuerbare Energierohstoff Holz
«Wood is a nightmare!» Martin Seifert, Sekretär des Forschungs-, Entwicklungs- und Förderungsfonds der Schweizerischen Gasindustrie FOGA, wollte seine Zuhörer mit dieser Behauptung etwas provozieren, um zu zeigen, was für ein riesiges Potenzial für die SNG-Produktion (SNG: Synthetic Natural Gas) in der Schweiz besteht und welche technologischen Anforderungen es dabei zu überwinden gilt. Die Methanisierungstechnologie hat in den letzten zehn Jahren bemerkenswerte Fortschritte gemacht, muss jedoch ihre Zuverlässigkeit und Effizienz erst noch unter Beweis stellen. Die Wartungskosten derartiger Anlagen sind schwierig abzuschätzen. Auch die erforderlichen Eigenschaften des Holzes, seine Beschaffung und Lagerung sowie die Reinigung der Abgase und Emissionen werfen noch einige Fragen auf.
Wenn man die zahlreichen Beschränkungen in Verbindung mit dem Bau von Vergasungsanlagen berücksichtigt, kann man von einem realistischen Potenzial von 10-15 Bio-SNG-Anlagen in der Schweiz ausgehen. Obwohl zweifellos ein Interesse daran besteht, Alternativen zu Erdgas zu finden, ist Seifert nicht der Auffassung, dass Holz eine wesentliche Rolle in der nationalen Energiestrategie spielen kann.
Die Bioraffination ist in der Schweiz gerade erst im Aufbau befindlich. Auf der Grundlage der wissenschaftlichen Kenntnisse und des technologischen Fortschritte gilt es dabei ein Gleichgewicht zwischen der energetischen und chemischen Verwertung von Holz zu finden. Die Schweiz muss nicht zwingend den Bau eines heimischen Raffinerieparks zur Rückgewinnung von Energie aus Schweizer Holz anstreben, sondern sollte vielmehr darüber nachdenken, wie sie sich mit ihrem technologischen Knowhow positionieren und dieses exportieren kann. Letztlich hat der Konsument mit Sicherheit mehr Gewicht als die von der Regierung festgelegten Rahmenbedingungen. Die Perspektiven sind dennoch positiv.
Ressource Holz aus Sicht der jungen Forschergeneration
Die Doktoranden und Postdocs haben die vier Veranstaltungsblöcke mit Inputreferaten und Workshops aktiv mitgestaltet. Besonders intensiv war die Diskussion über die mögliche Positionierung der Schweiz in der Holz-Wertschöpfungskette und die damit verbundenen Herausforderungen. Neue Inspirationen aus der unmittelbaren Umgebung lieferte die Exkursion nach Trubschachen zur Ökoenergie-Initiative "Oil of Emmental" und zu einer Produktionsanlage von "Truber Holz". Dort wird das Holz aus den umliegenden Wäldern zu hochwertigen und ökologischen Vollholzbauten ohne den Einsatz von Leim, Kunststoff, Metall oder anderen Fremdstoffen verarbeitet. Parallelkurse zur Storytelling-Methode und zur Erstellung wissenschaftlicher Arbeiten in Englisch rundeten die dreitägige Veranstaltung ab.